Die Hausorgel und ihre Geschichte

Vorwort

Die nachfolgende Schrift, verfasst von Wolfgang Oberlinger, beinhaltet:

·      Einen Überblick über die geschichtliche Entwick­lung der Haus- und Chororgel vermitteln.

·      Eine Übersicht geben, welche Dispositions- und Gestaltungsmöglichkeiten heute bei unseren Truhenorgeln, Positiven, Kabinett-, Haus- und Chor­orgeln bestehen und dem Sachverständigen und Planer Maße vermitteln, die bei einer bestimmten Dispositionsgröße realisierbar sind.

·      Anregungen geben, im Rahmen eines geplanten Dispositionsumfanges, das Instrument zu finden, das für den vorgesehenen Zweck am geeignetsten ist.

·      Mit den Abbildungen den Orgelliebhaber erfreuen und demjenigen ein Hinweis sein, der sich bisher noch nicht mit Haus- und Chororgeln befasste, sich aber vielleicht einmal von diesen Instrumenten an­sprechen und inspirieren lassen möchte und nach weiterer Information verlangt.

War es früher in Fürsten- und Bürgerhäusern mehr eine Prestigesache, eine Hausorgel zu besitzen, so ist es heute oft für Organisten eine Notwendigkeit, ein solches Instrument zu erwerben. Sei es, dass man kei­ne Übungsmöglichkeiten in der Kirche hat oder auch nur, weil diese im Winter nicht oder nur wenig beheizt ist und man ein Übungsinstrument braucht, das ne­ben der präzisen und sensiblen Mechanik auch klang­lich hohen künstlerischen Anforderungen gerecht wird, oder dass man auch im privaten Bereich ein Musikinstrument besitzen möchte, das anspruchsvol­le Hausmusik ermöglicht.

Eine eigene Hausorgel zu besitzen, ist der Wunsch vieler Orgelfreunde. Sie bedeutet für sie eine Kunst­werk, ein individuell gestaltetes Original.

Unsere Kleinorgeln werden alle individuell geplant und in handwerklicher Fertigung unter Verwendung bester Materialien hergestellt. Die gezeigten Beispie­le in unserem Hausorgelprogram, geben einen Quer­schnitt, der so variabel ist, dass nahezu alle Wünsche erfüllt werden können.

Die Hausorgel und ihre Geschichte

Das Interesse an kleinen Orgelwerken, besonders an Positiven und Hausorgeln, erwachte schon kurz nach den Kriegsjahren, aber der Nachholbedarf an großen Kirchenorgeln und der daraus resultierende Auftragsbestand bei den Werkstätten war so groß, dass gerade diese Gattung ,Orgel‘ mehr oder weniger stiefmütterlich behandelt wurde. Dennoch bauten wir schon vor der Währungsreform 1948 für einen befreundeten Pfarrer eine kleine Hausorgel. Weiter angeregt durch einen Organisten, der 1958 eine Hausorgel von uns bauen lassen wollte, beschäftigten wir uns in der Folgezeit intensiver mit der Konstruktion dieser kleinen Instrumente. Schon die ersten Hausorgeln unserer Werkstätte führten dazu, dass wir viele Anfragen nach einem solchen Instrument erhielten. Aus Kapazitätsgründen konnten wir vorerst aber nur jährlich eine Hausorgel anfertigen. Heute ist eine ganze Abteilung unserer Werkstätte mit der Herstellung dieser Orgelwerke beschäftigt.

Neben dem Bau der großen 2-, 3- oder 4-manualigen Orgelwerke war zunächst die Arbeit an einer solchen Kleinorgel eine zwar wirtschaftlich wenig lohnende, aber dafür hochinteressante Abwechslung für uns Orgelbauer.

Durch das ständige Beschäftigen mit dem Kleinorgel-bau war auch der Wunsch nach einer eigenen Orgel verständlich, so dass sich alsbald die Orgelbaumeister Ernst und Hermann Oberlinger in den Jahren um 1960 ein solches Instrument für ihr Haus bauten. Als dann deren Söhne Helmut und Wolfgang Oberlinger die Orgelbaumeisterprüfung ablegten, war dies der Anlass, je eine 2-manualige Hausorgel mit 14 Registern als Meisterstück zu bauen, die in ihrem Wohnhaus aufgestellt wurden.

Die intensive Arbeit im Hausorgelbau wurde für eine grundlegende innovatorische Konstruktionsverfeinerung genutzt und führte zu neuen Dispositionsalternativen. Durch eine zusätzliche Umfrage unter Organisten und Orgelbausachverständigen ermittelten wir Wünsche betreffs Dispositionsgestaltung und Gehäusegrößen. Die vielen Vorschläge konnten wir bei der Konstruktion und Konzeption unserer heutigen Haus- und Chororgeln auswerten und berücksichtigen. Außerdem kristallisierten sich bei Gesprächen mit Organisten und Interessenten Gesichtspunkte heraus, die vieles gemeinsam hatten, aber auch individuelle unterschiedliche Ansichten und Wünsche zeigten.

 

Gemeinsamer Wunsch war

·      eine möglichst kompakte Gehäusegröße

·      ein Orgelwerk mit reicher Disposition für künstlerische Interpretation

·      eine hochwertige Verarbeitung aus besten Materialien

 

Individueller Wunsch war

·       Disposition und Intonation

·       die Gehäusegestaltung

 

Unsere Konstruktionen,

das Positiv,

die Truhenorgel,

die Studio- und Übeorgel

die Kabinettorgel,

die Jubiläumsorgel,

die Residenzorgel,

sind nun das Ergebnis unserer Bemühungen, die oben erwähnten Wünsche und Forderungen auszuwerten, wobei zugleich ein Studium historischer Instrumente der Arbeit vorausging.

Nicht zuletzt konnten wir Erkenntnisse, die wir bei der Restaurierung einer Hausorgel von 1720 gewannen, für die Gestaltung von Kanzellen- und Ventilgröße anwenden.

Welter zeigte das Studium historischer Hausorgeln, dass ein Werkprinzip sowohl von der Disposition, als auch von der Aufstellung her, bei kleinen Orgelwerken nicht sinnvoll zu verwirklichen ist. Zwillingsladen oder sogar Drillingsladen, auf denen die Register der beiden Manualwerke und des Pedals gemeinsam stehen, sind heute ratsam, denn sie können wesentlich zu einer bei Hausorgeln notwendigen raumökonomischen Platzausnutzung bei umfangreichen Dispositions- und damit auch Registriermöglichkeiten beitragen.

Durch langjährige Erfahrung haben wir für die jeweilige Größe einer Hausorgel die optimalen Ladengrößen ermittelt und mit einer sinnvoll durchdachten Spielmechanik versehen. So können unsere Instrumente bei relativ reicher Disposition für Wohnräume ausgerichtete Gehäusemaße erhalten. Die in Massivholz gebauten Gehäuseschreine sind tragend ausgelegt, Lade und Mechanik sind darin integriert. Die Trakturen werden je nach Entwurf entweder als hängende Traktur bei einarmigen Tastenhebeln, als ausgewogene Traktur bei zweiarmigen Tastenhebeln oder als Stechermechanik, wie z. B. bei der Truhenorgel, hergestellt.

Die jeweilige Wahl des Traktursystems wird alleine von dem Gesichtspunkt des direktesten Mechanik-weges bestimmt, der bei den verschiedenen Entwürfen unterschiedlich sein kann.

Aus dem Studium der nachfolgend beschriebenen historischen Instrumente ist zu lernen, dass auch die Dispositionen neuer Hausorgeln strengen und konsequenten Gesichtspunkten unterliegen sollten. Die bei den Abbildungen angegebenen Dispositionen lassen erkennen, dass sich eine Form herauskristallisiert, die, mit kleinen Abweichungen hier und da, als ideal für Hausorgeln anzusehen ist.

Die Bedeutung und der Wert einer Hausorgel richtet sich überwiegend nach künstlerischen Gesichts-punkten. Reine Zweck- und Übungsorgeln haben einen geringeren künstlerischen Wert. Aus diesem Grund bieten wir Hausorgeln nur in wertvollen Ausführungen an. Klangbild und Technik der Instrumente sollen höchsten Ansprüchen und Erwartungen gerecht werden. Dass eine Orgel aus unserer Werkstatt auch äußerlich die innere qualitative Verarbeitung widerspiegelt, betrachten wir als Selbstverständlichkeit.

Jede Hausorgel aus unserer Werkstatt ist eine individuelle Einzelanfertigung, hergestellt von einem Team engagierter Orgelbauer, gestaltet von versierten Gehäusebauern und Bildhauern und intoniert von erfahrenen Intonateuren. Der Besitz einer Oberlinger-Hausorgel bedeutet der Besitz eines Kunstwerkes, eines Originals.

Den Wert einer Hausorgel bestimmen folgende Faktoren:

·      der materielle Wert,

·      der künstlerische Wert.

Der materielle Wert kommt durch Material, Verarbeitung und Funktion zustande, der künstlerische Wert, den ein Orgelwerk praktisch „gratis“ vom Orgelbauer mitbekommt, ergibt sich durch Konzeption, Entwurf, Disposition und Intonation. Erst wenn der materielle und künstlerische Wert einen optimalen Stand erreicht haben, wird die Orgel ein Kunstwerk. Ob die Hausorgel nun ein- oder zweimanualig ist, immer hat sie ihren eigenständigen Platz unter den Musikinstrumenten, wobei man in der Terminologie für sie oft unterschiedliche Begriffe verwendet.

Dies war bei der historischen kleinen Orgel ähnlich, denn in der musikwissenschaftlichen Literatur verbirgt sich unter dem Terminus, Hausorgel fast nie ein fest definiertes, auf einer bestimmten Vorstellung beruhendes Instrument, sondern es kann darunter ein Portativ oder Regal, eine Truhen- oder Kistorgel, aber auch in erster Linie ein Positiv oder vergrößertes Positiv, letzteres dann zweimanualig, bis zur ausgewachsenen zwei- oder dreimanualigen Orgel, verstanden werden.

Die ersten Hausorgeln, die wir aus ikonographischen Quellen kennen, haben meist die Form vergrößerter Portative. Sie sind mit zwei oder mehr Registern gebaut. Die der Größe nach angeordneten Pfeifen werden von zwei miteinander verbundenen Leisten gehalten, die parallel mit den oberen Pfeifenenden verlaufen. Meistens stehen diese Portative auf einem Tisch. Die Bälge sind hinter der Windlade und den Pfeifen angeordnet. Der Organist benötigt zum Spielen einen Kalkanten.

Auch als die Portative ein eigenes Untergehäuse bekamen, befanden sich die Bälge zunächst nicht im Gehäuse, sondern lagen nach wie vor dahinter. Diese Art Portativ als Hausorgel gab es nicht nur in Deutschland, sondern auch in den burgundischen Ländern.

Im 16. Jahrhundert kann man eine Entwicklung beobachten, die zu dem in einem Gehäuse stehenden Portativ führt. Aus den überlieferten Abbildungen ist nicht mehr festzustellen, ob die Instrumente weltlichen oder kirchlichen Zwecken dienten.

Die historische Hausorgel kann nur im Rahmen der allgemeinen Entwicklung der Kultur des 17. bis 19. Jahrhunderts beschrieben werden. Besonders am Beispiel unseres Nachbarlandes Holland (*1), wo sich die Hausorgel stark entfaltete, ist dies plastisch zu sehen. Das Fehlen eines königlichen Hofes als Zentrum von Kunst und Wissenschaft, die geringe Bedeutung des Adels als Kulturträger, die Ausschaltung des geistlichen Standes durch den Siegeszug des Calvinismus, — all diese Fakten trugen dazu bei, dass die Kaufleute in den Städten als allein übriggebliebene kulturtragende Schicht große Bedeutung erhielten. 

So manifestierte sich die bürgerliche Kultur jener Zeit am deutlichsten in den Rathäusern und den Patrizierhäusern an den Grachten. Auch die Hausorgel hat dort ihren Platz gefunden und ihre Rolle gespielt. Ihre große Blütezeit im 18. Jahrhundert muss im Zusammenhang mit der sozial-ökonomischen Geschichte jener Zeit gesehen werden.

Die Kaufmannsherrschaft des 17. Jahrhunderts hatte dort einer Regierung von Verwaltungsräten Platz gemacht, die ihr Vermögen in ausländischen Papieren und in gewinnbringenden Ämtern anlegten.

Diese begüterten Bürger hatten die nötige Zeit und die Mittel, um ihren Liebhabereien nachzugehen. Andererseits waren zu den dort ansässigen Orgelbauern auch viele geschulte Meister aus Deutschland, hauptsächlich nach Amsterdam, gekommen. Diese Umstände bildeten zusammengenommen einen fruchtbaren Boden für eine bedeutende Hausorgelkultur.

Eine ähnliche Entwicklung der Hausorgel können wir In unserem anderen Nachbarland, der Schweiz, sehen (*2).

Dort besaß im 17. und 18. Jahrhundert beinahe jedes herrschaftliche Haus in den größeren Städten eine Hausorgel. Sie war dort Vorgängerin des Cembalos.

Aus dieser Hochblüte des städtischen Kleinorgelbau-es sind leider nur ganz vereinzelte Exemplare erhalten. Aus späteren provinziellen Nachbauten hingegen noch zahlreiche Instrumente.

Die aufstrebende Entwicklung des Hausorgelbaues wird auch durch das schöne Orgelgehäuse gefördert, das fortan als Möbel fungiert. Reiche Bewohner von Villen gaben damals sehr viel Geld für kostbare Möbelstücke aus. Die Beliebtheit der Hausorgel fiel mit der großen Zeit der französischen Möbelstile zusammen, die wir bis ca. 1815 datieren. Ab hier wurden zwar noch viele Hausorgeln gebaut, jedoch nicht mehr in so kunstvoller Gehäuseanfertigung.

Vergleicht man die historischen Hausorgeln verschiedener Länder miteinander, dann kann man folgendes feststellen:

Bei der niederländischen Hausorgel sind Zungenregister seltener als bei der deutschen, mit Ausnahme der süddeutschen.

Die Klangkrone der deutschen Hausorgel ist nicht so ausgeprägt, wie die der niederländischen, bei der auch häufiger ein Sesquialter disponiert war. Je südlicher in Deutschland, desto seltener kommen Aliquoten vor.

Eine aus unserer Nähe, dem Hunsrück, stammende Hausorgel, erbaut um 1720, (wahrscheinlich von Stumm) ist mit einer seitlichen Spielanlage versehen. Das sehr schöne Gehäuse aus Eichenholz hat eine ausgewogene Proportion. Die Disposition mit den zwei 8′-Registern, wobei das zweite 8′-Register als Diskantregister gebaut ist, kann man als sehr interessant bezeichnen.

Die englischen Hausorgeln hatten eine verhältnismäßig geringe Registerzahl. Schleifenteilungen sind auch dort häufig anzutreffen. Als Besonderheit hatte die englische Hausorgel oft den Sesquialter auf der Basshälfte der Klaviatur und als Fortsetzung im Diskant ein Kornett. Wogegen in Deutschland und Holland der Sesquialter immer ein Diskantregister und stets aus 2 2/3′ und 1 3/5′ zusammengesetzt war. Lt. Quoika hatte die deutsche historische Hausorgel um 1650 ihre größte Blütezeit.

Niederländische Hausorgeln wurden in der Regel kunstvoller gearbeitet, zumindest die Gehäuse, die aus teuren Holzarten hergestellt und mit wertvollen Schnitzereien verziert wurden. Dieser Luxus hängt auch mit dem großen Reichtum, der in diesem Lande war, zusammen.

Ein weiterer Unterschied liegt, zumindest in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in der Schleifenteilung. Im Gegensatz zu der holländischen, wo der Teilungspunkt konsequent immer zwischen h und c‘ liegt, ist dieser Punkt bei der englischen Hausorgel variabel.

Die Klaviaturen der holländischen Hausorgeln des 18. Jahrhunderts besitzen immer eine volle tiefe Oktave. In England und Deutschland fehlt gelegentlich das Cis.

Im Gegensatz zu England kennt man in den übrigen Ländern keine Klaviatur, die bis in die Kontraoktave reicht.

Die englische Hausorgel um 1780 ist als Instrument besser mit der holländischen Hausorgel aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu vergleichen. Das liegt daran, dass in Holland die Romantik etwas später einsetzt.

Die Schweizer Hausorgel2 hat vieles mit der deutschen und holländischen Kabinettorgel gemein. Auch dort findet man das kabinettartige Gehäuse mit der dreigeteilten Pfeifenfront, jedoch plumper und schwerfälliger. Schleifenteilungen kommen bei ihr seltener vor. Sie hat einen etwas weniger farbigen Klang. Die Schweizer Hausorgel klingt so, wie sie aussieht, bäuerlich und voller Charme. Die Anzahl der Holzpfeifen ist bei ihr verhältnismäßig groß.

 

Besonders bekannt und berühmt sind hier die Hausorgeln aus dem Ostschweizer Toggenburg und aus dem Berner Emmental.

„Bauernorgel Toggenburg“(*3), Joseph Looser 1788

·      Holzkoppel         8′

·      Principal              4′

·      Holzflöte             4′

·      Holzoctav            2′

·      Suavial                 2′

·      Quint             1 1/3′

·      Superoctav          1′

 Erhaltene Notenhefte zeigen, dass man diese Instrumente nicht nur zur häuslichen Andacht benutzt hat, sondern auch zum geselligen Zusammensein bei Gesang und Tanz.

 

Schweizer Hausorgel von J. C. Speisegger aus dem Jahr 1730. Typische Hausorgel mit hochgestelltem kleinen Mittelturm und seitlichen, flankierenden Rundtürmen.

In Italien (*4) sind nur wenige Hausorgeln erhalten geblieben.

Das hier abgebildete Exemplar, erbaut um 1500, zeichnet sich durch schöne Proportionen und seinen außergewöhnlich guten Erhaltungszustand aus. Es hat 3 Register mit offenen Metallpfeifen, 4′, 2′ und 1′-Größe. Holzpfeifen sind nicht vorhanden. Die Tasten sind mit der Windlade durch Drähte verbunden. Der in der Art eines Triptychons angelegte Prospekt gliedert sich in drei Gruppen. Die Pfeifen sind in verschiedenen Arkaden untergebracht, die durch dünne Säulen voneinander getrennt sind und deren mittlere wesentlich höher ist. 

Die flachen Reliefs über den Pfeifengruppen, sowie auf dem Sockel und der Plinthe, sind ausgezeichnet gearbeitet und zeigen eine Verschmelzung von Formen der Gotik und der Früh-renaissance. Unter dem Fries am oberen Abschluss der Orgel erkennt man das Familienwappen, in dem ein Eichbaum von Füllhörnern und Delphinen flankiert wird. Der Sockel ist als Arkade oder Loggia mit fünf Nischen gestaltet, die durch breite Pilaster mit derben Arabesken voneinander getrennt sind. Der Kontrast zwischen dem zinnernen Orgelprospekt und den vergoldeten Reliefs macht diese Orgel zu einem exquisiten Kunstmöbel.

Die Anordnung der Windlade und des Prospektes, nicht zuletzt die schlichte äußere Gestalt, sind typisch für die kleinen Instrumente dieser Landschaft.

Eine weitere aus Italien stammende Hausorgel, erbaut um 1700 (ausgestellt 1978 im Kulturzentrum Herne anlässlich einer Instrumentenausstellung), hat folgende Disposition:

Principals                              Principal                               8′

Ottava                                    Octave                                   4′

Decima quinta                      Superoctav                           2′

Decima nona                        Quinte                             1 1/3′

Flauto in duodecima           Quintflöte                        2 2/3′

Vier Registern des Principalchores steht hier eine solistische Quintflöte (nur im Diskant) gegenüber. Ein kleines, sichtbar angehängtes Pedal, wie das Manual mit ‚kurzer‘ Oktave, erlaubt Haltetöne und gelegentliche Unterstützung der Basslinie.


Die Typen der historischen Hausorgeln (*1)

Wenn man die große Anzahl der uns bekannten historischen Hausorgeln betrachtet, kann man feststellen, dass die Instrumente um 1700 in folgende Typen eingeteilt werden können:

    A  Das Portativ, in einer eigenen Form ohne Gehäuse erbaut,

    B  Das Positiv, ohne eigene Form mit Gehäuse erbaut.

In geschlossenem Zustand gleicht diese Orgel einem Möbel, das seiner jeweiligen Form nach verschiedenen anderen Zwecken dienen könnte. Wir kennen es als:

a)     Schrank    = Kabinett- oder Schrankorgel (1732)

b)     Schreibtisch = Schreibtischorgel (ab 1765)

c)     Sekretär   = Sekretärorgel (ab 1790)

Diese Bezeichnungen wurden für die damaligen

Hausorgeln verwandt.

   C   Die einmanualige Hausorgel

   D   Die zweimanualige Hausorgel

 zu A

Das erste eindeutig als Portativ zu bezeichnende Instrument entstammt dem 12. Jahrhundert. Es ist enthalten in der Miniatur des Manuskriptes 17 333 des Britischen Museums, London, die Christus und die 24 apokalyptischen Gestalten darstellt (G. Kinsky, Geschichte der Musik in Bildern, S. 44,3). Von wenigen Ausnahmen abgesehen, handelt es sich immer um ein Instrument, welches als kleinste gebräuchliche Form der Orgel mit einer Skala einfacher Lippenpfeifen und einer Tastatur versehen und, wie sein Name sagt, tragbar war.

 zu B a     

Als wichtigste und häufig anzutreffende Form der Hausorgel kann man die Kabinett-Orgel bezeichnen. Die älteste erhalten gebliebene Kabinettorgel in Holland stammt von 1732. Erbauer der ersten Kabinett-orgeln waren Chr. Müller, Vitus Wigleben und Pieter Kehrmann. Alle aus Deutschland stammend, aber nach Amsterdam ausgewandert und dort tätig.

Die alten Kabinettorgeln sind oft mit Nussbaumwurzelholz furniert. Später wurden die eichenen Gehäuse mit Mahagoni belegt. Im Unterteil des Gehäuses liegt der Balg, anfangs ein Keilbalg, doch schon bald ein Magazinbalg mit parallel aufgehender Balgplatte. Die Windlade liegt bei diesen Orgeln meistens etwas höher als die Klaviatur. Viele Register sind geteilt, und der Klaviaturumfang reicht von C — c“‚.

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts hatte der Unterbau statt der bisherigen zwei, jetzt drei und manchmal so-gar vier falsche Schubladen an der Vorderseite. Der Klaviaturumfang reichte hierbei von C — d'“, manchmal sogar noch etwas weiter. Die große Verbreitung der Kabinettorgeln beginnt um 1770. Damals gab es allein in Amsterdam einige Dutzend Orgelbauer. Zu den bekanntesten zählten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts J. S. Stumphler und J. J. Vool. Viele ihrer Instrumente sind heute noch erhalten, was ein Beweis für ihre Qualität ist.

Als den produktivsten Hausorgelbauer der Niederlande bezeichnet der Organologe Dr. Arend Jan Gierveld den in Gouda ansässigen Orgelbauer H. H. Hess. Seine Orgeln und die seiner Schüler haben eine tiefliegende Windlade mit Stechermechanik. Die Prospektpfeifen seiner einmanualigen Kabinettorgeln sind stumm und meistens in zwei Felder aufgeteilt. Auch haben seine Kabinettorgeln weniger große Flügeltüren und sind mehr wie die englischen „bookcases“ ausgeführt.

 Zu B b

 

Seit 1765 wurden neben den Kabinettorgeln auch Schreibtischorgeln gebaut. Diese Instrumente hatten

zwei bis sechs Register. Die Register waren wie bei den Kabinettorgeln immer geteilt. Die Kabinett- und Schreibtischorgeln wurden sowohl im Ludwig XV.- wie auch im Ludwig XVI.-Stil ausgeführt.

Zu B c

Ab 1790 finden wir die Hausorgel auch als Sekretärorgel erbaut. Man kann diese Form auch als Weiterentwicklung der Schreibtischorgel betrachten. Durch die größere Höhe brauchten weniger Pfeifen gekröpft Sekretärorgel erbaut 1807 zu werden. Die Registerzahl variiert von dreieinhalb bis sechs. Die Sekretärorgel ist in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die häufigste anzutreffende Erscheinungsform der Hausorgel.

Zu C

Die meisten einmanualigen Hausorgeln sind 4′-Werke; dagegen sind die Schreibtisch- und Sekretärorgeln in der Regel 2′-Werke. Einmanualige Hausorgeln sind in der Regel Instrumente mit 7-11 Registern, jedoch gibt es auch solche mit kleineren Dispositionen. Hier müssen besonders die Instrumente von J. W. Teschemacher, Tho-mas und Peter Weidtmann und L. de Backer, sowie eine von J. M. Stumm erbaute Hausorgel genannt werden.

Zu D

 

Zweimanualige Hausorgeln sind Orgeln, die 9 bis 20 und mehr Register besitzen. Oftmals ist hier ein angehängtes Pedal von eineinhalb Oktaven Umfang und eine geteilte Manualkoppel vorhanden. Die Prospekte dieser historischen Instrumente gleichen denen kleiner Kirchenorgeln.

Die Verarbeitung des Gehäuses ist meistens sehr schön. Der Klang der beiden Werke ist durch die Anzahl und die Art der Register so differenziert, dass das kleine Werk ein Echowerk des Hauptwerkes darstellt. Von dem Rotterdamer Orgelbauer J. J. Moreau blieb eine solche Orgel erhalten, ebenso von seinem Kollegen J. P. Küncke. Die zweimanualigen Hausorgeln haben meist Zwillingsladen und waren 4′-Instrumente.

Verwendete Literatur: 

1 Dr. Arend jan gierveld: het nederlande huisorgel; Verlag: Bohn, 1977

2 Friedrich Jakob Schweiz: Festliche Musik; Die Orgel: Hallwig Verlag 1974 

3 Widmer, Dr. Otmar: Hausorgelbau im Toggenburg; Schweizer Altertumskunde Bd. XXXIX, Heft2

4 E. Winternitz, L. Stunzi: Die schönsten Musikinstrumente des Abendlandes; R. Röwit, 1980